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Religiöse Bildung in historischer Perspektive

Das Ressort wird von Prof. Dr. Gisela Mettele geleitet.
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Foto: bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Röme

Über das Ressort

Auch in historischen Erziehungs-, Sozialisations- und Bildungsprozessen spielt Religion eine wesentliche Rolle. Innerhalb dieses Ressorts werden u.a. die Theorie und Praxis des schulischen Religionsunterrichts, die Professionalisierung von Religionslehrkräften und religiöse Bildungsmedien in historischer Perspektive untersucht. Dabei setzt sich das FZRB besonders intensiv mit zwei Forschungsfeldern auseinander: Zum einen wird der Pietismus mit einem besonderen Fokus auf die Herrnhuter Brüdergemeine in Bezug auf individuelle und kollektive religiöse Bildungsprozesse hin untersucht. Zum anderen steht die Weimarer Republik als bildungspolitisches und bildungstheoretisches „Laboratorium“ im Fokus der historischen Analyse. Da sich auch historische religiöse Bildungsprozesse über nationale oder konfessionelle Räume hinweg entfalten, bedient sich dieses Ressort der Methoden der transnationalen Kulturforschung, der interkonfessionellen Bildungsforschung und der Globalgeschichte.

Um umfangreiche historische Quellenbestände systematisch auswerten und der weltweiten Öffentlichkeit präsentieren zu können, werden innerhalb des Ressorts auch Methoden und Werkzeuge aus dem Bereich der Digital Humanities (DH) eingesetzt. Damit greift das Ressort auf die Ergebnisse der Arbeitsstelle „Digitalisierungsprojekt ‚Kirchliches und schulisches Zeitschriftenwesen‘“ und des DH-Schwerpunkts des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte zurück, die sich in verschiedenen Einzelprojekten der computergestützten Aufarbeitung und Bereitstellung von historischen Quellenbeständen zur religiösen Bildung widmen.

 

Deckblatt einer Schulprogrammschrift: compact memory UB JCS Frankfurt am Main: Bericht über das Schuljahr 1897 der Stiftischen Realschule mit Lyzeum der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt am Main. Deckblatt einer Schulprogrammschrift: compact memory UB JCS Frankfurt am Main: Bericht über das Schuljahr 1897 der Stiftischen Realschule mit Lyzeum der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt am Main. Foto: DIPF/BBF Berlin

Projekte des Ressorts

Schulprogrammschriften des jüdischen höheren Schulwesens als Seismographen des kulturellen und sozialen Wandels im ‚langen 19. Jahrhundert‘

Die im deutschen Reich während des ‚langen 19. Jahrhunderts‘ (Eric Hobsbawm) von unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren forcierte Assimilation der jüdischen Bevölkerung an die christliche Mehrheitsgesellschaft ist ebenso wie die gleichzeitige Ausdifferenzierung der jüdischen Religionsgemeinschaft wesentlich von einem sich herausbildenden modernen höheren jüdischen Bildungswesen getragen worden. An Hand von Schulprogrammschriften des höheren jüdischen Schulwesens geht das Projekt diesem auch als Verbürgerlichung bezeichneten Prozess nach. Insbesondere die in den Schulprogrammschriften enthaltenen „Schulnachrichten“ als jährliche Berichterstattung zu wichtigen Schulereignissen, Prüfungen, Lehrstoffen, verwendeten Schulbüchern und statistischen Angaben zu SchülerInnen sowie dem Lehrpersonal eröffnen die Möglichkeit, jüdischen Emanzipationsprozess u.a. mit Methoden der Professions- und Netzwerkforschung sowohl transnationaler als auch diachroner Perspektive über einen relativ langen und geschlossenen Zeitraum sichtbar und diskutierbar zu machen.

Leitung: Prof. Dr. Michael Wermke, Dr. Viktoria GräbeExterner Link

Publikationen
  • Die ministeriellen Inspektionen in den Schulprogrammen höherer jüdischer Schulen im 19. Jahrhundert - das Beispiel Frankfurt am Main, in: Tomás Kasper, Martin Holý, Marcelo Caruso, Markéta Pánková (Eds.), From School Inspectors to School Inspection. Supervision in Europe from Middle Ages to Modern Times, Bad Heilbrunn 2022, S. 153-172 (gemeinsam mit Viktoria Gräbe).
  • Viktoria Luise Gräbe/ Michael Wermke: Periodika höherer Schulen im 19. Jahrhundert: Schulprogramme als Spiegel jüdisch-bürgerlicher Repräsentation? in: Susanne Marten-Finnis, Michael Nagel (eds.): The Historical German-Jewish Press: Platform, Mouthpiece, Sources Die historische deutsch-jüdische Presse: Forum, Sprachrohr, Quellenfundus Bremen 2022, S. 173-194
  • Viktoria Gräbe: Rezension zu: Ächtler, Norman (Hrsg.): Schulprogramme Höherer Lehranstalten. Interdisziplinäre Perspektiven auf eine wiederentdeckte bildungs- und kulturwissenschaftliche Quellengattung. Hannover 2021. ISBN 978-3-86525-820-5. In: H-Soz-Kult, 14.06.2021.
  • Die Schulprogrammschriften höherer jüdischer Schulen in Frankfurt am Main im 19. und frühen 20. Jahrhundert - Erste Vermessungen in einem unbekannten Forschungsgebiet, in: Norman Ächtler (Hg.): Schulprogramme Höherer Lehranstalten, Hannover 2021.
  • Soziale Herkunft und Berufswahl: Jüdische Religionslehrer an preußischen höheren Schulen im langen 19. Jahrhundert am Beispiel Frankfurt am Main, in: PaRDeS: Journal of the Association for Jewish Studies in Germany 26 (2020) Jewish Families and Kinship in the Early Modern and Modern Eras, p. 107-121 (peer reviewd). Link zum BeitragExterner Link
Tagungen
  • Haskala in Breslau - Joel Bri’l Löwes Schulschriften im Kontext (1791–1801), 15.-17. März 2021, Freie Universität Berlin
    Veranstalterinnen: Uta Lohmann und Kathrin Wittler
    Vortrag: Joel Löwes Schulschriften. Eine Einordnung in die Praxis der Schulprogrammschrift-Schreibung um 1800 (Viktoria Gräbe)
    Das Programm finden Sie hierpdf, 189 kb.
  • From School Inspectors to School Inspection. Supervision of Schools in Europe from the Middle Ages to Modern Times, 9.-10. September 2020, Prag;
    Veranstalter: Institute of History of the Czech Academy of Sciences;
    Vortrag: Annual reports of secondary schools in the 19th century - an example of school inspection without consequences?

  • Zwischen Tradition und Wandel. Pädagogische und religionspädagogische Initiativen im 'langen 19. Jahrhundert' 2.-3. April 2020, Münster; Veranstalter: Arbeitskreis für historische Religionspädagogik, Vortrag: Zwischen Formatierung und Akkulturation. 
    Jahresberichte höherer jüdischer Schulen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert. Zum Tagungsprogrammpdf, 292 kb.

    Die Tagung wird aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Weitere Informationen folgen.
  • Warum Netzwerkforschung?, 2.-4. März 2020, Darmstadt,
    Verstanstalter: Deutsche Gesellschaft für Netzwerkforschung. AK Organisatorische Netzwerkforschung;
    Vortrag: Institutionen jüdischer höherer Bildung im langen 19. Jahrhundert – Rekrutierung, Austausch, Binnendifferenzierung.

  • "The Historical German Jewish Press as Interface.pdf, 469 kb Platform, Mouthpiece, and Sources of Ongoing Research Programme", 24.-27.November 2019, Uni Bremen
    Vortrag: "Periodika höherer Schulen im 19. Jahrhundert: Schulprogramme als Medium jüdisch-bürgerlicher Repräsentation"

  • "Berichte(n) - Prozesse, Narrative und Funktionen einer administrativen Kleinform"Externer Link, 12. April 2019, HU Berlin
    Workshop: "Die Jahresberichte höherer jüdischer Schulen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert — normierte Form der Wissenszirkulation oder Sonderfall der Berichterstattung im jüdischen Emanzipationsprozess?"
Stipendien
  • Sommer 2020, Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: "Die Schulprogrammsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel - ein unterschätzter Bestand zur Rekonstruktion der Vernetzung höherer jüdischer Schulen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert"

  • 1.09.-30.11.2019, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin: "Schulprogrammschriften höherer jüdischer Schulen zwischen Selbstinszenierung und ‚bürokratischer Reform von oben‘. Eine Rekonstruktion an Archivalien der Staatlichen Auskunftstelle für Schulwesen"

DFG-Projekt »Die Religionsgeschichtliche Schule - Bildung und Religion«

Führende Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule (RGS) begannen um 1900 ihre Forschungsergebnisse nicht allein im fachwissenschaftlichen Rahmen, sondern auch unter interessierten Laien zu verbreiten. Die religionsgeschichtlichen Theologen erhoben den Anspruch, das Volk religiös zu bilden, um ihm die christliche Religion als sinnstiftende Instanz in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft zu vermitteln. In allgemeinverständlichen Vorträgen, Publikationen und Schriftenreihen sowie in Ferienkursen wandten sie sich faktisch an ein gebildetes Publikum.

Das Projekt untersucht vor diesem Hintergrund erstmals die Volksbildungsbestrebungen der RGS als umfassendes Phänomen, das maßgeblich vom speziellen Verständnis der RGS von Religion und Bildung beeinflusst wurde. In diesem Zusammenhang werden die Wechselwirkungen zwischen theologischen und pädagogischen Ideen analysiert, die den Vorhaben und Projekten in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg zugrunde lagen. Hinzu tritt, dass das spezielle Interesse der RGS an religiöser Bildung einige ihrer Vertreter veranlasste, sich in religionspädagogischen Verbänden zu engagieren, die sich für eine Reform des Religionsunterrichts einsetzten. Darum untersucht das Projekt auch, in welcher Weise die Volksbildungskonzepte der RGS innerhalb der religionspädagogischen Publizistik rezipiert wurden. In diesem Zusammenhang soll auch erforscht werden, welche personellen und inhaltlichen Kontinuitäten und Diskontinuitäten der RGS sich in religionspädagogischen Debatten vor und nach dem Ersten Weltkrieg aufzeigen lassen. Ausgehend von diesen Untersuchungen wird das Projekt dann schließlich den Zusammenhang zwischen den Volksbildungsbestrebungen der RGS und der Etablierung der modernen (evangelischen) Religionspädagogik betrachten. Dabei geht das Projekt davon aus, dass die RGS die Entwicklung der Religionspädagogik als selbstständiger wissenschaftlicher und akademischer Disziplin maßgeblich beeinflusste. Somit bereichert das Projekt die aktuelle Diskussion um Entstehung und Selbstverständnis der Religionspädagogik als Wissenschaftsdisziplin, indem es Motive und Impulse aus den exegetischen Fächern, die im Rahmen der RGS auf die moderne Religionspädagogik wirkten, erschließt sowie historisch und systematisch analysiert.

Die Forschungsergebnisse des Projekts wurden in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Diesen können Sie hierpdf, 138 kb einsehen.


Beteiligte Wissenschaftler

Prof. Dr. Michael Wermke (Projektleiter)
Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Prof. Dr. Manuel Vogel
Professor für Neues Testament  an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller Jena

Gregor Reimann (Projektkoordinator)                                                                                                                                                                                                                              Ehem. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik der Friedrich-Schiller Universität Jena

 

Projekt "Spurensuche"

Pädagogische und theologische Arbeit vollzieht sich stets in spezifischen historischen Kontexten. Im Projekt "Spurensuche" geraten Jenaer Persönlichkeiten in den Blick, die im Überschneidungsfeld von Theologie und Pädagogik gearbeitet haben - wobei nicht ihre Publikationen, Vernetzungen etc., sondern vielmehr die baulichen Spuren (Denkmäler, Gebäude, Gedenktafeln etc.), die sie in der Stadt Jena hinterlassen haben, den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung bilden. Bislang wurden dabei zwei Persönlichkeiten und ihre "Spuren" näher betrachtet:

 

Darüber hinaus ist die Arbeitsstelle "Digitalisierung `kirchliches und schulisches Zeitschriftenwesen´" diesem Ressort zugeordnet.

Aktuelle Publikationen
Großes Buch
Großes Buch
Foto: fotolia.com
  • Michael Wermke: Ein letztes Treffen im August. Kurt Silberpfennig und die Praxis religiös-zionistischer Pädagogik, Münster 2020.
  • David Käbisch | Michael Wermke (Hrsg.): Transnationale Grenzgänge und Kulturkontakte. Historische Fallbeispiele in religionspädagogischer Perspektive, Leipzig 2017.
  • Sylvia E. Kleeberg-Hörnlein | Gregor Reimann | Michael Wermke: Zwischen »irdischer« und »ewiger Heimat«. Der Heimatbegriff in systematisch-theologischen Kontexten und als Thema religionspädagogischer Bildungsforschung, in: Edoardo Costadura/Klaus Ries (Hrsg.): Heimat gestern und heute. Interdisziplinäre Perspektiven, Bielefeld 2016, 145–160.
  • Gisela Mettele: Organizing Global Communication among Moravians in the Eighteenth and Nineteenth Centuries, in: Jenna Gibbs (Ed.), Global Evangelical Networks: Missions, Politics and Print (1720s-1920s). Philadelphia 2017
  • Gisela Mettele: Scribal Culture in the Age of Print. Globalizing Religious Communication in Moravian Pietism, in: Oliver Scheiding/Anja-Maria Bassimir (Eds.), Religious Periodicals and Publishing in Transnational Contexts. The Press and the Pulpit, Newcastle upon Tyne 2017, 49-72.
  • Gisela Mettele: Global Communication among the Moravian Brethren: The Circulation of Knowledge and its Structures and Logistics, in: Markus Friedrich/Alexander Schunka (Eds.), Reporting Christian Missions in the Eighteenth Century. Communication, Culture of Knowledge and Regular, Publication in a Cross-Confessional Perspective. Wiesbaden 2017, 149-167.
  • Gregor Reimann: Religiöse Volksbildung als »Lebensfrage«. Die Verbindung von religionsgeschichtlicher Exegese und religiöser Volksbildung am Beispiel von Heinrich Weinel.
  • Michael Wermke: Die Konfessionalität der Volksschullehrerbildung in Preußen. Ein Beitrag zum Schulkampf in der Weimarer Republik, Leipzig 2016.